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Türchen Nr. 2 "Tier"

Feier mit Pferd

 

„Was ist los?“ Interessiert beobachtete Lea, wie Anna die Stallgasse fegte, dass die Strohhalme nur so flogen. „So energisch wirst du doch nur, wenn dich jemand geärgert hat.“

„Meine Eltern!“, knirschte diese wütend. „Die haben mir verboten, über Weihnachten in den Stall zu kommen.“

 „Warum denn?“ Lea schob ihre frisch geputzte Stute in die Box, schloss die Tür und wandte sich wieder Anna zu. „Habt ihr Besuch?“

„Quatsch, die finden einfach, dass man sich an solchen Tagen nicht schmutzig macht. Pferde sind halt stinkige Tiere.“

Lea prustete los. „Echt jetzt? Wie übel ist das denn?“

Anna stellte den Besen beiseite, um sich ebenfalls auf den Strohballen in der Stallgasse fallen zu lassen. „Die kapieren einfach nicht, dass Fredo mein Freund ist und nicht irgendein Toaster, den man tagelang in der Ecke stehen lassen kann.“

„Dann musst du sie eben überlisten.“

Anna schüttelte den Kopf. „Nee, das klappt nie.“

„Schauen wir mal.“ Lea kramte einen zerknitterten Zettel aus der Tasche. „Hier. An Heiligabend und den Feiertagen gibt es im Stall nachmittags Basar mit Weihnachtsmarkt. Sag ihnen, wenn du nicht dabei sein kannst, wirst du voll der krasse Außenseiter.“ Als sie Annas zweifelnden Blick auffing, grinste sie. „Bei meinen Eltern hat es letztes Jahr spitzenmäßig funktioniert.“

 

Drei Tage später, am Nachmittag des Heiligabends, saßen die beiden wieder in der Stallgasse und sahen zu, wie ihre Schützlinge zufrieden aus den Heunetzen naschten.

„Siehst du, hat doch prima geklappt.“

Anna, die an ihrem Paradiesapfel kaute, nickte. „So macht Weihnachten richtig Spaß.“

 

(Anathea Westen)

 


Weihnachtshund

 

Weihnachten ohne Tiere gab es bei uns noch nie. Immer saß wenigstens ein Hund mit vor dem festlich geschmückten Baum, aufgeregt und neugierig wie alle anderen. Brav bewachen sie die vielen Päckchen, die liebevoll verziert auf neue Besitzer warten, und lassen sich auch nicht vom duftenden Weihnachtsessen ablenken. Sie wissen genau, an welcher Stelle jene Geschenke liegen, die sie später aus dem Papier zerren dürfen, und niemals würden sie sich diesen Spaß dadurch verderben, indem sie sich etwa heimlich von einem der Süßigkeiten-Teller bedienen. Man liest ja immer wieder diese Ratschläge mit erhobenem Zeigefinger, wie gefährlich das sei - Weihnachten mit Tieren. Doch in all den Jahren ist es bei uns nur ein einziges Mal zu einem Unfall mit Folgen gekommen.

 

Chico, mein temperamentvoller Mix aus Foxterrier und Schäferhund, übertrieb es ein wenig mit der gezeigten Freude, und - zack – schlug die wedelnde Rute gegen eine der brennenden Kerzen. Alle erstarrten für einen Moment, zumindest alle Menschen, doch die Kerze fiel nicht mitten in die Geschenke. Da weder Baum noch Hundefell Feuer fingen, lehnten sich alle entspannt zurück. Der stürmische Vierbeiner hatte einfach nur die Flamme per Schwanzwedeln ausgepustet.

 

Erst am nächsten Tag wurden die längerfristigen Folgen sichtbar. Beim Spaziergang begrüßte Chico einen Hundekumpel mit hoch aufgerichteter Rute, und ich traute meinen Augen kaum. Die jetzt sichtbare untere Seite des normalerweise blütenweißen Wedel-Instruments leuchtete in einem satten Knallrot. Bis wir das gesamte Kerzenwachs herunter hatten, kicherten wir immer wieder darüber, dass Chico vom Weihnachtsmann ein persönliches Stopp-Signal bekommen hatte.

 

(Anathea Westen)

 

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