· 

Türchen Nr. 8 "Feuer"

Ein einsames Fest

 

Hell flackerten vier kleine Lichtlein auf dem Adventskranz, im Hintergrund pfiff der Teekessel. Mit Tränen in den Augen betrat Astrid die Stube, setzte sich an den Tisch.

„Wozu die erste Kerze? Sie soll für Frieden stehen. Aber ich habe nur Streit mit de Nachbarn.“

Sie blies sie aus.

„Wozu glauben? Es gibt keinen Gott. Er hätte mi nicht monatelang alleine in dese verlassenen Wohnung gelassen.“

Aus war die zweite Kerze.

„Wen soll ich denn lieben, wenn alle schons über die Schwelle sind und de eigene Bub sich net mehr an sei Mutter erinnert?“

Kräftig pustete sie das vorletzte Wachslicht aus. Im schummerigen Licht rührte sie die Pillen im Tee. Noch waren sie nicht geschmolzen. Ihr Blick wanderte zu dem Hochzeitsfoto.

„Ach, Anton. Bald bin ich bei dir. Ich habe es satt zu streiten. Keiner versteht mei Not. Ich habe keine Hoffnung mehr.“

Somit erlosch das letzte Licht. Astrid wollte gerade einen kräftigen Schluck nehmen, als es plötzlich sehr hell wurde und ein junger Mann neben dem Tisch erschien. In seiner Hand brannte ein kleines Feuer.

„Du musst nicht heute Nacht gehen. Warte ab.“

„Wer sann Sie?“, fragte sie verwirrt.

„Dein Beschützer.“

Mit diesen Worten entfachte er die zuletzt ausgeblasene Kerze und verschwand. Im gleichen Moment läutete es an der Tür.

Astrid öffnete.

„Frohe Weihnachten Mutter. Ich dachte mir, ich schau mal vorbei.“

Wortlos nahm Astrid ihren Sohn in den Arm. Beide traten ein. Während er den Mantel auszog, zündete sie die anderen Kerzen an der vierten an.

 

 (Lucy Engel, Autorin aus Luxemburg)

 

Feuer gefangen

 

Jacky riss schwungvoll die Wohnungstür auf und erstarrte. Er war es, der neue Nachbar, gerade eingezogen und schon der Schwarm aller Frauen dieses Hauses. Blonde Haare, die sich in kleinen Locken an seinen Nacken schmiegten, dazu umwerfend grüne Augen, in denen sie eine Spur von Belustigung zu entdecken glaubte. Hör sofort auf, ihn so blöd anzustarren. Sag was! „Ähm“, war alles, was ihr spontan dazu einfiel. Sie spürte, wie sie rot anlief, als er über ihre ungeheure Sprachgewalt grinste.

„Tut mir leid, wenn ich dich so plötzlich überfalle, aber es ist ein echter Notfall.“ Er lehnte sich gegen den Türrahmen und schaute ihr tief in die Augen. „Hast du Feuer?“

Jede Form von Romantik wurde durch diese kleine, unschuldig daherkommende Frage im Keim erstickt.

„Was? Nein! Tschüss.“ Genervt schüttelte sie den Kopf, ignorierte sein überraschtes Gesicht und schloss energisch die Tür.

Nicht schon wieder ein Raucher, der seine Kippen überall verteilte. Das hatte sie gerade erst hinter sich.

Wieder klopfte es, und sie öffnete erneut.

„Es ist wirklich ein Notfall.“ Eben noch selbstsicher, wirkte er nun eher schüchtern. „Hast du ein Feuerzeug?“ Als sie nickte, winkte er ihr, ihm zu folgen. „Nimm es mit und schau es dir selbst an.“

 

In seiner Wohnung stand ein großer, mit weihnachtlichen Köstlichkeiten beladener Tisch, auf dem zwei Kerzenleuchter thronten.

„Oh, du brauchst Feuer für die Kerzen, nicht für Zigaretten.“

Er nickte. „Ich wollte zur Einweihung eine Adventsparty schmeißen, und du bist mein erster Gast.“

Dieses Mal erwiderte sie seinen intensiven Blick.

 

(Anathea Minami)

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0