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Türchen Nr. 14 "Tür"

Wörter statt Schoko

 

Wieder ist sie da. Die Adventszeit. Benno kickt genervt gegen einen Stein. Er hasst Sankt Nikolaus, den Adventskalender.

Oh sicher, Geschenke bekommt er. So wie jedes Kind. Nur bringt ihm der Nikolaus keine Schokolade mit. Nicht etwa, um Karies zu vermeiden, das geht wunderbar durch Zähneputzen. Nein, Benno ist allergisch gegen Milch.

Eis, Schokolade sind für ihn nicht mehr als ein Traum. Und morgen ist der erste Advent. Wie gut, dass er auf einen Samstag fällt, der schulfrei ist. Zwei Tage lang wird er dann nicht mit Bauchkrämpfen hören müssen, welch schöne Schoko-Figuren die anderen Kinder hinter ihren Kalendertüren gefunden haben. Das Läuten der Glocke ruft ihn zum Unterricht.

Doch was ist das? Die ganze Klasse sitzt bereits auf ihren Plätzen. An seinem Platz entdeckt Benno einen Kalender. Verwirrt nimmt er ihn in die Hand. „Danke“, stammelt er, „ Aber ich, ihr wisst ja..“

„Da sind Überraschungen drin, die du teilen und genießen kannst. Morgen wirst du es sehen.“

 

Am nächsten Morgen steht Benno auf und geht zu dem Kalender. Er ist nicht flach, vielmehr ist es ein Haus mit schiefem Dach. Er öffnet die erste Tür und bricht beim Anblick der Überraschung in Tränen aus. Ein Origami-Schwan sitzt dahinter, unter ihm liegt ein sauber gefaltetes Blatt Papier. Behutsam entfaltet er es und entdeckt das Märchen des hässlichen kleinen Entleins. Jetzt kann er mit der Klasse etwas teilen, vom Schwan und den anderen Figuren berichten. Freudig erwartet er den Montag. Um sich zu bedanken und vorzulesen.

 

(Havenne Therese, Autorin aus Luxemburg)

 


Alles oder Nichts

 

"Neues Jahr, neues Glück", sagte er in seinem leeren Apartment und hob sein Glas. Mit dem zwölften Schlag der Uhr flog die Eingangstür auf.

„Bist du völlig durchgedreht?“ Wie ein tosender Wirbelwind kam Lucille hereingestürmt.

„Oh, du bist wieder da?“

Doch sie reagierte nicht auf seine lakonische Frage, schaute sich vielmehr ungläubig um. „Wo sind unsere Sachen?“

„Verschenkt.“

„Was?“

 

Er zuckte mit den Achseln. „Du wolltest eine Auszeit, weil unsere Beziehung festgefahren sei. Also habe ich die Bedingungen geändert, wir können ganz von vorne anfangen.“

„Du bist verrückt!“

„Weil ich in Silvesterstimmung bin, obwohl es erst Mitte Dezember ist?“

„Nein! Du hast alles fortgeworfen, wofür wir gearbeitet haben. Alles, was wir sind!“

„Wie? Etwa all dieser Deko-Plunder? Besonders dieses ganze Weihnachts-Gedöns?“

„Unsere Möbel, unsere Fotos, Erinnerungsstücke…“

Erneut zuckte er die Schultern. „Alles nur Dinge. Du hast gesagt, dass du dich eingeengt, nicht mehr frei fühlst. Et voilà!“ Er zeigte auf die nüchterne Leere.

„Aber…“

„Ich tue alles, um dich nicht zu verlieren, Lucille, und deshalb fangen wir einfach noch einmal vor vorn an. Was hältst du davon, wenn wir in deine alte Heimat nach Kanada ziehen? Hast du nicht immer noch Heimweh?“

Überrascht stand sie vor ihm, schaute in seine Augen, die sie liebevoll musterten. „Du weißt davon?“

Er nahm ihre Hände, um einen Kuss darauf zu hauchen. „Ich kann es in deiner Stimme hören. Weihnachten in Québec?“ Weiter kam er nicht, weil sie ihm um den Hals fiel und mit einem leidenschaftlichen Kuss zum Schweigen brachte.

 

(Anathea Minami)

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