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Türchen Nr. 20 "Kohlen"

Auf der Suche nach Kohlen

 

Voller Eifer rollen Susi und Tim zwei dicke Schneebälle. Zum ersten Mal hat es in diesem Winter geschneit und da dies selten ist, haben die Geschwister die Gelegenheit beim Schopf gepackt, um einen Schneemann zu bauen. Ein richtiges Wintermännchen mit Zylinder, Nase und Schal wollen sie haben. Als beide Kugeln aufeinander stehen, stecken ihm die Kinder Äste an den Seiten. Tim setzt ihm seinen Zauberhut auf den Kopf, Susi bindet ihr Halstuch um den Hals. Eine aus der Küche gemopste Möhre wird zur Nase und Mutters Lippenstift eignet sich prima, um den Mund zu zeichnen. Nur die Augen fehlen.

„Was machen wir jetzt? Opa hat gesagt, dass die Augen mit Kohle gemacht wurden.“

„Wir fragen einfach Papa. Er hat doch Kohle in seinem Bohrhammer.“

„Oder Mutter. In ihrem Staubsauger sind Kohlefilter. Neulich hat sie geschimpft, dass sie neue braucht. Wir könnten die alten haben.“

 

„Aber Kinder, die Kohlen in Maschinen sind anders als die schwarze Kohle. Die Filter haben Kohlepartikel, also winzige Stückelchen, um den Dreck zu filtern. Hätten wir einen Kohlegrill, könnte ich euch helfen.“

Susi und Tim schauen sich bestürzt an. Aber aufgeben wollen sie nicht.

 

Beide Kinder begeben sich zu ihrer Oma, die gleich nebenan wohnt.

„Ihr wollt Kohle? Fehlt es euch an Taschengeld?“

„Nein, es ist für den Schneemann. Du hast welche im Aquarium Filter.“

Die alte Dame grinst.  „Verstehe. Leider habe ich keine Kohle, dafür aber große schwarze Knöpfe.“

Beide Kinder juchzen. Am Abend steht ein echtes Wintermännchen im Garten.

 

(Havenne Therese, Autorin aus Luxemburg)

 

 


Frohe Weihnacht

 

Sie öffnete die Tür und wurde sogleich in ihre Wohnung zurückgedrängt.

„Los, Alte! Her mit der Kohle!“

Erschrocken starrte Hilde den Jungen an, der mit gezückten Messer in ihrem Flur stand und sie bedrohte. So etwas war ihr noch nie passiert, und nun ausgerechnet an Weihnachten?

„Mach schon, oder soll ich dich abstechen?“

Hilde bemerkte das Zittern in der Stimme, die Furcht in den Augen ihres Angreifers. Ein professioneller Einbrecher war dies nicht. Sie nickte, schlurfte in Richtung Küche, wo es noch herrlich nach Zimtsternen und Vanillekipferln duftete. Dem Jungen war deutlich anzusehen, dass ihm das Wasser im Mund zusammenlief, und so schob Hilde ihm fürsorglich einen Teller mit frischen Plätzchen zu. Als er heißhungrig darüber herfiel und im Nu die Hälfte vertilgte, schüttelte sie mitfühlend den Kopf.

„Dir wird noch schlecht werden, wenn du so viel Süßes herunterschlingst. Wie wär’s, wenn ich dir noch etwas von dem Festessen aufwärme? Magst du Gänsebraten, Knödel und Rotkohl?“

Mit großen Augen schaute der Junge, den Hilde auf höchstens fünfzehn schätzte, sie an, bevor er zögernd nickte. Sofort legte sie los, war endlich mal wieder voll in ihrem Element. Während sie das Essen zubereitete, machte sie ihm auch schnell noch eine heiße Schokolade, die er geradezu andächtig austrank.

„Warum tun Sie das?“, fragte der Junge nach einer Weile. Das Messer hatte er längst verschwinden lassen.

„Weil Weihnachten viel schöner ist, wenn es alle warm haben, satt und nicht alleine sind, oder?“ Die beiden grinsten sich an und genossen das gemeinsame Weihnachtsmahl.

 

(Anathea Westen)

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