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Türchen Nr. 24 "Christstollen"

Fröhliche Weihnachten / Merry Christmas


Neun Christstollen später

 

Süß duften die „Eisekuchen“, verführerisch winken die Gewinne am Los-Stand. Jean greift in den Korb, zieht zehn Umschläge heraus.

„Sie sind aber nicht kompliziert.“

„Was nützt es zu wühlen? Entweder man gewinnt oder nicht.“

Die Dame Mathilde hinter dem Tresen lächelt ihn an, nickt.

„Puh, eine Niete.“, steht auf dem ersten Zettel. Neun bleiben noch übrig. 39. Der Blick des alten Mannes wandert über die reich verzierten Körbe, die Weinflaschen, das Gebäck, die Schnitzereien auf dem Tresen. Mathilde greift ins Gebäck. „Glückwunsch, einen Christstollen.“

 

„So groß? Dann werde ich lange dran knabbern. Wir sind nur zu dritt zu Hause.“

„Der hält bis März. Notfalls können Sie es einfrieren.“

Jean derweil öffnet den nächsten Umschlag. Die Nummer 45.

„Und das ist der zweite Weihnachtsstollen.“

„Den werde ich verschenken.“

Er widmet sich dem nächsten Umschlag. Wieder ein Gewinn an Kalorien. Jetzt sind es schon drei.

„Das kann nicht sein. Mal sehen, was in den nächsten drin ist.“

Rasch öffnet er die übrigen Umschläge. Zahlen winken ihm entgegen. Mathilde geht hinter den Tresen. Gespannt wartet Jean und stöhnt, als die Tombola-Fee mit Kalorienbomben voll beladen zurückkommt.

„Jetzt sind es acht. Wann soll ich die essen?“

„Einen pro Monat, Vater. Lass mich es versuchen.“

Lisa kauft neue Lose, dreht und wendet den Stapel. Eine Niete, zwei Sechser-Pack-Bier und Überraschung - einen Adventsstollen.

 

Am Abend schickt sie mir ein Bild des Ertrages.

„Acht Christstollen später. Den neunten haben wir getauscht.“

Grinsend denke ich an die mich erwartende Kaffeestunde.

 

(Lucy Engel, Autorin aus Luxemburg)


Fröhliche Weihnachten

 

Marie trat einen Schritt zurück und runzelte die Stirn. „Der Baum steht eindeutig schief, Hendrik. Oder was sagst du, Sabine?“

„Ist das Ding nicht eh komplett krumm gewachsen, Marie? Oder hatte ich schon einen von denen zu viel?“ Ihre Schwester nippte an ihrem Sekt. „Was meinst du, Kalle?“

„Kannse noch lila Flanellläppchen sagen?“

Sabine sah ihren Mann verwirrt an. „Wie soll das jetzt weiterhelfen?“

„Ganz einfach: Wenne dat noch sagen kanns, hattese nich zu viele Sekt.“ Kalle grinste. „Aber trink ma, dann bisse schön lustig.“

„Ich meinte den Baum, Kalle.“ Sie knuffte ihm in die Seite.

„Ach so, der Baum. Der hat eindeutig `nen Schlag schräg. Aber stehen tut er gerade.“

Marie seufzte. „Falls mich einer sucht: Ich bin in der Küche und habe einen Nervenzusammenbruch.“

„Mach lieber Kaffee, Mädchen. Da haben wa alle mehr von. Wie ich höre, hasse sogar Stollen gebacken – extra für mich armen Kumpel, damit ich nich so traurig bin, dat jetzt Schicht im Schacht iss.“ Kalle lachte und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.

 

Am Küchentisch saßen Jannis, Stine und Maries Neffe Raphael und spielten Mensch-Ärger-Dich-Nicht.

„Na, wer gewinnt?“

„Ich, Mama. Raffi ist voll schlecht.“ Jannis grinste.

„Pech im Spiel, Glück in der Liebe.“ Marie zwinkerte ihrem Neffen zu. „Wie heißt der kleine Engel noch, der dir vor die Füße gefallen ist?“

„Kira.“ Raphael wurde rot.

„Stimmt.“ Marie schnitt den Christstollen in Scheiben und kochte Kaffee. „Spielt schnell zu Ende, sobald Oma und Opa da sind, trinken wir Kaffee.“

 

Im Wohnzimmer waren Sabine und die Männer immer noch dabei, den Baum auszurichten - unter hitzigen Diskussionen und Gelächter. Im Hintergrund lief Weihnachtsmusik und Marie wurde besinnlich zumute. Ihre Familie war ein chaotischer Haufen, weit entfernt von den Hochglanzfamilien aus der Kaffeewerbung. Aber mit ihnen würde dieses Weihnachtsfest ganz sicher eins werden: Fröhlich...

 

(Katja Kobusch)


Allen ein frohes Fest

 

Nille quälte sich vorwärts, schleppte den gewaltigen Leckerbissen mit aller Kraft hinter sich her. In letzter Sekunde bemerkte sie den Schatten und huschte beiseite, als der schwarze Vogel herabgeschossen kam.

„Krah, so ein großer Brocken! Das ist nichts für einen Wicht wie dich. Den nehme ich mit!“

„Nein“, schimpfte Nille aus ihrem Versteck. „Ich hab’s gefunden, das ist mein Stück.“

Doch die Krähe lachte nur heiser und blickte sie mit spöttisch funkelnden Augen an. „Meine Kinder werden sich darüber freuen.“ Dann griff sie nach dem duftenden Kuchen, breitete ihre Flügel aus - doch gerade als sie mit ihrer Beute abheben wollte, sprang Nille mutig vor, um ein Stück abzureißen und sich gleich wieder in Sicherheit zu bringen.

„Krah“, schimpfte die Krähe, verschwand aber mit dem Rest und ließ Nille mit klopfendem Herzen zurück.

 

Sie hatte es ohne weitere Probleme ins Nest geschafft, als ihr der Weg versperrt wurde. Onkel Kurre schnupperte. „Das riecht aber lecker. Gib her, ich teste erst einmal, ob das Zeug auch genießbar ist.“

„Nein! Das ist für meine Geschwister und mich.“

Der Onkel war natürlich viel größer und kräftiger, so dass Nille keine Chance gegen ihn gehabt hätte. Doch gerade, als er ihr den Schatz abnehmen wollte, kamen ihre sechszehn Geschwister um die Ecke gestürmt.

„Das ist unser Kuchen! Geh weg, geh weg“, riefen sie laut durcheinander, so dass ihre Mutter neugierig nachschauen kam, was dieser Tumult zu bedeuten hatte. Klugerweise machte sich Kurre lieber aus dem Staub, und Nille konnte ihrer Familie stolz den Fund präsentieren. Bald lagen alle friedlich aneinander gekuschelt im Nest, nur Nille kaute noch an einem letzten Bröckchen. Was für ein schöner Abend das gewesen war. Sie gähnte, schmiegte sich an die anderen und war im Nu eingeschlafen.

 

Nille und ihre Geschwister wussten es nicht, aber an diesem besonderen Abend saßen nicht nur Ratten- und Krähenkinder, sondern auch viele Menschenkinder zusammen, um leckeren Christstollen zu naschen. In der Welt der Menschen hatte er sogar einen eigenen Namen; sie nannten ihn Heiligabend.

 

(Anathea Westen)


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Kommentare: 1
  • #1

    Lucia (Montag, 24 Dezember 2018 10:51)

    Wunderbar!

    Vielen Dank allen Autorinnen für diese Köstlichkeiten.

    Euch und Euren Lieben besinnliche, fröhliche Weihnachten!
    Lucia