Rettet den Winter
„Papa, schau den Turm da. Was ist das?“
Mit dem Finger zeigt Tim auf einen hohen Scheiterhaufen. Ein Kreuz ist in der Mitte fixiert.
„Das ist die „Buerg“. Der Winter wird verbrannt.“
Bestürzt starrt der Knirps seinen Vater an. Die kalte Jahreszeit verbrennen? Zugegeben, auf den vielen Regen könnte er verzichten. Aber den Schnee? Gerne erinnert er sich daran, wie er mit dem Schlitten den Berg heruntergesaust ist. Hui, war das Spaß. Und nun soll der Winter ins Feuer geworfen werden? Nein, das wird er nicht zulassen. Aber wie?
„Komm Tim, wir müssen nach Hause. Bald gibt es Abendessen“ ,zieht ihn der Vater aus seinen Gedanken.
Am nächsten Morgen bespricht Tim sich mit seiner Freundin Chiara. Auch sie ist entsetzt. Beide Kinder beratschlagen sich. Irgendwie muss das zu verhindern sein.
„Vielleicht einfach fragen?“, schlägt Chiara vor.
„Meinst du?“
„Mhh, Mein Vater hat auch über den Schnee geschimpft. Du hast recht, nicht gut.“ Chiara blättert ratlos in ihrem Wörterbuch. Das tut sie immer, wenn sie keine Lösung weiß. Das Umschlagen der Seite hilft ihr beim Grübeln, behauptet sie. Jedenfalls ist es gut, dass sie es jetzt tut, denn beim Buchstaben D springt ihr ein Bild von Menschen, die Schildern hochhalten, entgegen.
„Demons-tra-tii-ion“, liest sie. Chiara tippt auf das Bild.
Tim wirft einen Blick darauf. Er lächelt. Die Idee gefällt ihm. Sofort erzählen sie den anderen Mitschülern davon. Am Mittag machen sich die Kinder in der Bibliothek ans Werk. Der Bibliothekar wirft hin und wieder einen Blick auf die malenden Kinder und vertieft sich dann in seine Arbeit. Das aufgeregte Sprechen stört ihn nicht sehr. Eigentlich soll Ruhe in seinem Raum sein. Aber es sind Siebenjährige, die gemeinsam basteln. Das ist besser, als dass sie auf dem Computer spielen. Deshalb wird er sie nicht stören. Hätte er nur einen Blick auf die Kartons geworfen, dann hätte er eine Überraschung erlebt.
Am Abend ziehen die Kinder zum Feld, auf dem die Burg steht. Alle Menschen starren auf die Plakate, die die Kinder auf Besenstiele aufgeklebt haben. Niemand trinkt weiter, eine Dame vergisst sogar ihre Wurst weiter zu essen.
„Rettet den Winter. Nicht verbrennen.“
„Wir wollen im Schnee spielen!“
„Nur Hitze ist dumm!“
Auf einem weiteren ist ein Schneemann in einer Pfütze gezeichnet, daneben eine Sprechblase: Lasst mir mein Leben.
Den Satz hat Chiara aus dem Märchen von Schneewittchen abgeschrieben. Laut und nicht gerade harmonisch stimmen die Kinder dazu Winterlieder an.
„Schneeflöckchen tanze, tanze…“
„Aber Kinder, was soll das werden?“, fragt ein Feuerwehrmann.
„Wir wollen nicht, dass der Winter verbrannt wird. Schnee macht Spaß“, antwortet Tim.
Der Brandmann weiß nicht, ob er lachen soll. Die Kinder wirken so ernst.
„Ich glaube, da habt ihr etwas nicht richtig verstanden. Kommt mit, ich werde es euch erklären.“
Er versammelt die Kinderschar um das Lagerfeuer und erzählt ihnen von diesem Brauch. Gespannt hören die Kinder zu. Der Winter wird sinnbildlich verbrannt, es soll ein Zeichen für sein Ende sein. Er verschwindet nicht wirklich. Die Entstehung im Römerreich, das Kreuz als Symbol, um aus dem heidnischen Fest ein christliches zu machen, ist recht spannend. Am Ende werden die Kinder mit Cola und Erbsensuppe oder einer Bratwurst belohnt.
Am nächsten Morgen steht in der Zeitung: „Siebenjährige Kinder starten eine Demo für den Klimaschutz…“
Da hat wohl ein Reporter auch nicht alles verstanden. Oder doch?
(Havenne Therese, Autorin aus Luxemburg)
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