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April - Aufbruchsstimmung: Abenteuer-Junkie

Abenteuer-Junkie

 

„Na, Jona, geht‘s wieder los?“ Man konnte den Neid in Stefs Stimme deutlich heraushören. In seinen Augen war der Nachbar ungerechterweise ein wahres Glückskind, das die richtigen Eltern gehabt hatte. Und natürlich folgten die ewig gleichen Fragen. „Wie ist das denn so, hm? Wenn man gar nicht richtig arbeiten muss, nur ständig in der Welt herumgondelt? Sowas geht einem nie auf die Nerven, wie etwa ständig am selben Schreibtisch sitzen zu müssen, oder?“

Wie immer vermied Jona eine Diskussion über dieses Thema, winkte freundlich und verschwand in seinem Gartenschuppen. Eigentlich waren seine Eltern die Glücklichen gewesen, denn sie hatten gewagt, das Kreuz bei ‚Abenteuer‘ und nicht bei ‚Sicherheit‘ zu setzen. Bei der obligatorischen Auslosung gehörten sie dann zu den Gewinnern, und nur deshalb zählte ihr Sohn nun zu den genetisch festgelegten ‚Ewigen Abenteurern‘, die Tag für Tag losziehen und Unglaubliches erleben durften. Da er bisher kaum von dem Recht Gebrauch gemacht hatte, an den Wochenenden zu pausieren, genoss er mittlerweile den Luxus eines eigenen Abenteuer-Zugangs. Der Staat war in solchen Dingen sehr großzügig, denn die Aufzeichnungen der Erlebnisse standen allen Bürgern zur Verfügung, wurden immer und überall gezeigt.

 

Jona machte es sich auf seinem Sitz bequem und konnte das nächste Abenteuer kaum erwarten. Andere geborene Abenteurer prophezeiten zwar stets, dass er eines Tages auch genug davon haben könnte, doch das wollte er nicht glauben. Sobald er morgens aufwachte, war er bereits in Aufbruchsstimmung. Lächelnd drückte er den roten Knopf, verschwand aus dem Schuppen und landete dieses Mal…

 …auf einer Pirateninsel. Anfangs war er etwas enttäuscht, denn wenn ihn ein Abenteuer in eine weit zurückliegende Zeit führte, war er den anderen Mitwirkenden meist haushoch überlegen, vor allem was das technische Wissen anging. Und auch die Aufgabe erschien ihm seltsam simpel, denn er hatte schon viel zu oft hilflose Frauen aus den Fängen übler Bösewichter befreit. Doch etwas war anders, oder besser gesagt - Isabella war anders.

 

Schwer atmend ließ Jona sich in die üppigen Kissen fallen, um sich dann auf die Seite zu drehen, damit er ihre unverhüllte Schönheit weiter bewundern konnte. Seine Finger wanderten über die sanfte Wölbung ihrer Hüfte. „Wer bist du? Da ist etwas ganz Besonderes an dir.“

Sie schnappte sich seine Hand, hauchte zarte Küsse auf die Fingerspitzen, was erneut sein Verlangen nach ihr weckte. „Es ist dir also auch aufgefallen.“ Sie rückte noch näher an ihn  heran, fuhr mit den Lippen über seine Haut. Als er erschauderte, setzte sie sich auf und starrte ihn eindringlich an. „So intensiv habe ich eine Bettgeschichte noch nie erlebt. Kann es sein, dass du auch ein geborener Abenteurer bist?“

Diese Frage riss Jona abrupt aus der Bewunderung ihrer zarten Sommersprossen. „Was meinst du mit ‚auch‘? Willst du etwas sagen…“

Sie starrten sich an, und Jona konnte seine eigene Erschütterung in ihren Augen wiedererkennen. „Das ist nicht vorgesehen, sollte nicht möglich sein“, stammelte er, aber es erklärte alles. Sie waren in allen Bereichen auf derselben Wellenlänge, liebten das Abenteuer, die Abwechslung, die Liebe. Berauscht von dieser Erkenntnis ließen sie sich von einer Ekstase in die nächste treiben, zogen den größtmöglichen Genuss aus diesem Zusammentreffen. Zwischendurch lagen sie eng aneinandergeschmiegt, tauschten sich aus über das, was sie bereits erlebt hatten, und staunten über die vielen Gemeinsamkeiten.

„Ich glaube, wir sind Seelenpartner“, flüsterte Isabella. „Wie soll ich ohne dich weiterleben?“

Diese Worte bohrten sich wie scharfe Dolche in sein Herz, und erneut flohen sie vor der drohenden Konsequenz, indem sie ihr Liebesspiel verfeinerten und ausdehnten. Solange sie konnten…

„Nicht einschlafen“, flüsterte sie matt.

„Niemals“, gab er zurück, obwohl er bereits spürte, wie sich die Erschöpfung in ihm ausbreitete.

 

Als ihn die Sonnenstrahlen wachküssten, fand er sich in seinem eigenen Bett wieder. Wie jeden Morgen nach einem der vielen Abenteuer, doch zum allerersten Mal fühlte er sich allein.

(Anathea DellEste)

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