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Monatsgeschichte April: Aprilscherz

Aprilscherz

 

„Zwanzig Prozent Sonderrabatt. Heute Sonderaktion bei ‚Selbst ist der Mann‘. Na, das ist ja toll.“ Gerda schiebt ihrem Gatten Wilhelm den Prospekt zu.

Der stellt seine Tasse Kaffee nieder, wirft einen Blick darauf. „Interessant. Es gilt nur für heute und für die Kassen sechs und sieben.“

„Dann können wir´s streichen. Ich komm nicht klar mit dem neumodischen Zeugs.“

„Keine Angst, ich bin ja dabei. Neu ist nix, nur, dass bis zu zwanzig Euro, du dann kein Pin mehr eingeben musst.“

„Wenn´s nur das wäre. Bei der Sieben und der Acht ist kein Kassierer mehr da. Das muss man selber machen. Nur einen Aufpasser für den Notfall haben sie dagelassen.“

„Lass uns hinfahren. Deinen Gemüsegarten sollst du haben. Bei dem Rabatt lass ich es mir nicht entgehen. Wenn es nicht klappt, ist ja dieser Aufpasser da.“

So fahren die beiden zu dem Baumarkt.

 

Der Einkauf verläuft unkompliziert, zwei ganze Einkaufswagen sind gefüllt. Sicher, fünf Säcke Erdboden machen so einen Flachwagen rasch voll. Aber an der Kasse vergeht den Eheleuten die gute Laune. Ein großer Bildschirm steht zwischen zwei kleinen Platten. Ein Scanner blitzt rötlich.

„Legen Sie die Ware auf die Waage“, leiert die emotionslose Computerstimme.

„Waage?“

Gerda schaut sich ratlos um. Wilhelm stellt die Geranien auf die rechte Platte.

„Scannen Sie ihren Artikel.“

Wilhelm packt das erste Pflänzchen, hält es vor dem Computerschirm. Nichts passiert. Er drückt auf den Schirm, dreht die Ware in alle Richtung.

„Kann ich Ihnen helfen?“ Eine junge Dame mit einem freundlichen Lächeln steht auf einmal neben den Eheleuten.

„Ja, ich muss das scannen.“

Die Kassiererin nimmt den Scanner in die Hand, führt ihn über den EAN-Code und drückt darauf. Piep, und schon erscheint der Text auf der Bildfläche. Ein Piepsen ertönt und die Frau dreht sich um. An der Kasse Acht blinkt die Warnlampe, schrillt in voller Tonstärke. Sofort hastet sie dorthin und unser Paar ist wieder sich selbst überlassen. Aber Wilhelm lernt schnell. So wie er es gerade gesehen hat, fährt er mit den anderen Artikeln fort.

Gerda starrt auf den Bildschirm. „Du, bist du sicher, dass du das richtig machst?“

„Ich tue es wie die gute Dame vorhin. Schau, der Text ist da.“

„Aber der Preis ist nicht richtig. Fünf Euro stand auf dem Regal. Und hier auch. Da muss der Rabatt noch runterkommen.“

„Mhh, vielleicht kommt es am Ende.“

Gerda ist nicht recht überzeugt. Da sie es aber nicht besser weiß, lässt sie ihren Mann mal machen. Als sie an die Säcke kommen, hebt Wilhelm sie mit Müh und Not, um sie scannen zu können. „Huh, die sind schwer. Ich scanne vier Mal den ersten Sack, das wird doch kein Unterschied machen. Ist ja immer nur Mulch. Nur verschiedenfarbig.“

Endlich ist es geschafft.

„So, und jetzt zahlen.“

Wilhelm zückt die Karte und überprüft den Betrag. Von einem Rabatt keine Spur. Er ruft die Aufpasserin zu sich, doch diese hilft gerade einem Rollstuhlfahrer, seine Blumentöpfe einzulesen. Hinter dem Paar murren die Leute.

„Das muss hier schneller gehen“, wettert ein junges Mädchen.

„Ja, ja, immer besser, aber immer langsamer. Das ist Technologie“, meint ein Mann im Geschäftsanzug.

„Schuld sind die da vorne. Haben keine Ahnung und gehen hier durch“, mault eine feingekleidete Dame.

 

Unterdessen hat die Kassiererin ihren Kunden fertig bedient. Sie eilt zu dem Paar zurück.

„Wir wollten zahlen. Aber der Rabatt aus der Zeitung ist nicht runtergegangen.“

„Euh, haben Sie denn nicht den ganzen Artikel gelesen?“

„Ja, Rabatt von zwanzig Prozent, nur heute“, antwortet Wilhelm.

Die Frau zückt die Zeitung, schlägt sie auf und tippt auf das in ganz kleinen Buchstaben Geschriebene darunter.

„Der hier aufgeführte Rabatt ist als Aprilscherz zu verstehen. Hiermit geben wir den Kunden, die zu unserem Personal mutieren, symbolisch auch Anrecht auf den Personalrabatt.“

„Was? Aber wer denkt sich sowas aus?“, fragt Gerda verwirrt.

„Besorgte Kassierer, die bald keinen Job mehr haben. Mit dieser Aktion wollten wir zum Nachdenken anregen. In den Banken geht alles über E-Banking. Ist ja wunderbar, aber Sie erledigen den Job eines Agenten selbst. Wird der Service dadurch gratis? Nee. Hier kassieren Sie nun selbst ein. Wird deshalb alles billiger, jetzt, wo die teuerste Investition, sprich Personal, abgeschafft wird? Nein.“

Auf einmal herrscht Stille. Die Leute wechseln betroffene Blicke. Selbst jene, die in der Schlange stehen.

 

(Lucy Engel, Autorin aus Luxemburg)

 

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