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Türchen 02 "Teekanne"


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Sie befand sich ganz hinten im Sideboard, zwischen den Sammeltassen. Sie standen so eng zusammen, dass es jedes Mal leise klirrte, wenn auf der Straße ein Lastwagen vorbeidonnerte. Die alte Teekanne seufzte tief und ein zarter Pfeifton entwich ihrem geschwungenen Hals. Sie hatte so schön geträumt. Es war immer der gleiche Traum, der sie in süßer Erinnerung heimsuchte.

Es war in der Vorweihnachtszeit und der Tisch in der guten Stube, war für den Adventstee gerichtet. Jedes Gedeck hatte ein anderes Muster. Der Teekanne gefiel das Rosendekor am besten.
„Oma, was ist denn da drin?“
„Ach Bienchen, da ist nur altes Geschirr, das ich nicht mehr benutze.“
„Lass mich mal schauen, ja?“
Die Teekanne hielt die Luft an. Sollte sie doch noch einmal aus diesem Schrank herauskommen? Gespannt beobachtete sie das Mädchen, deren Finger das Porzellan zur Seite schoben.
„Igitt, was ist denn das?“ Sabine griff mit beiden Händen um den Bauch der Kanne und zog sie heraus. „Die ist aber hässlich!“
„Nein, bin ich nicht!“, hätte diese am liebsten geschrien.   
„Ach, herrje!“, stieß die Oma aus. „Die alte Teekanne!“ Bestürzt betrachtete sie die angelaufene Wärme-Hülle. „Warte, Bienchen. Du wirst staunen!“ Sie nahm ein spezielles Tuch und rieb fest über die schwarze Haube. Blank poliertes Silber kam zum Vorschein.
„Immer noch hässlich?“
„Nein, wunderschön! Lass uns Tee kochen, Oma!“, rief Sabine begeistert. „Und dann trinken wir ihn aus den alten Sammeltassen mit dem Rosenmuster!“
Die Teekanne strahlte vor Glück, was ihrer Silberhaube noch mehr Glanz verlieh.

 

© 2020 Flora MC (Alsace)

 


Das Foto

Julia sitzt am Küchentisch und sieht ihre Oma an, wie sie die pfeifende Teekanne vom Gasherd nimmt. Sie gießt ihnen beiden Tee in den Tassen und schiebt ihr einen Keksteller zu. „Bediene dich. Die habe ich gestern erst gemacht.“
Julia blickt gedankenverloren in ihre dampfende Teetasse. Die Oma nimmt Julias Hände über den Tisch in ihre Hand. „Mein Schatz, ich kenne dich gut genug. Was ist mir dir los?“
„Ach, Oma. Es ist alles so schwierig. Ich dachte, ich habe endlich den Richtigen mit Thomas gefunden.“ Tränen laufen ihr über das Gesicht.
„Was ist denn passiert? Erzähl mal.“ Oma kramt ihr Stofftaschentuch aus der Schürze und wischt Julia die Tränen von den Wangen.
„Er hat sich in eine andere Studentin verliebt und was ist mit mir?“ Sie schluchzt auf.
„Beruhige dich, du weißt nicht für was das gut ist. Vielleicht war er auch nicht der Richtige.“
„Oma, wie kannst du so etwas nur sagen. Ich dachte du verstehst mich wenigstens!“
Oma legt beschwichtigend ihre Hand auf die von Julia. „Warte einem Moment, dann zeige ich dir etwas.“ Sie holt aus der Schublade des alten Küchentresens ein Foto heraus und zeigt es Julia.
„Wer ist das, war das Opa?“ Julia sieht sich das vergilbte Porträt an.
„Nein, das war Peter, meine erste große Liebe.“
„Und was ist mit Opa?“
„Ich war vor deinem Großvater mit Peter zusammen, bis zu dem Tag an dem er nicht mehr gekommen ist. Ein paar Monate später stand dein Großvater bei mir im Laden.“

 

© 2020 Sandra Novak (Wien)

 


Etwas Tee und Gebäck

Artur schreckte aus seinen Gedanken, als die alte Dame mit dem Tablett in das Wohnzimmer zurückkehrte.
„Es ist so nett, einen Gast zu haben. Ein Tässchen Tee?“ Frau Hartmann überschlug sich in ihren Versuchen, ihm Gutes zu tun, doch Arturs Gesundheit spielte nicht mit.
„Tut mir leid, aber ich habe mir irgendwie den Magen verdorben ...“
„Nein, junger Mann, das lasse ich nicht gelten. Etwas Tee hat noch nie geschadet, und die Kekse werden das Unwohlsein im Handumdrehen beenden. Greifen Sie zu!“
Dagegen kam er in seinem geschwächten Zustand nicht an. Er gab vor, am Tee zu nippen, bis sich die Möglichkeit bot, ihn der nächsten Topfpflanze unterzujubeln, und die Kekse wanderten in seine Jackentasche. So hatte er dieses Mal keinen Vertragsabschluss, sondern nur jede Menge Krümel in der Tasche, als er den Besuch beendete.

Nach einigen Tagen war das Schlimmste überstanden und er gönnte sich gerade ein Frühstück, als ihm ein Bericht im Radio den Bissen im Halse steckenbleiben ließ.
„...vielfacher Mord laut Angaben der Polizei. Die Rentnerin hatte es besonders auf Vertreter abgesehen, denen sie Tee und Kekse vorsetzte, die mit Gift versetzt waren. Es ist noch nicht absehbar, wie viele Tote auf das Konto von Frau H. gehen. Die Polizei ermittelt noch und ...“
Artur kehrte in sein Bett zurück, wo er sich die Bettdecke über den Kopf zog. Was für eine schreckliche Welt, in der man nun schon wegen ein klein wenig Abzocke von alten, freundlichen Damen um die Ecke gebracht wurde!

 

 © 2020 Anathea Westen (Lipperland)

 


 

Mordzeit

Der Teekessel pfiff. Fröhlich summend zog Gerda die Weihnachtsplätzchen aus dem Ofen. Sie füllte das heiße Wasser in die Teekanne. Ihre Teezeit würde besonders werden. Ihr auf See verschollener Enkel Max war gefunden worden. Bange Tage des Hoffens waren endlich vorbei. Sie konnte es kaum erwarten, ihn wiederzusehen. Punkt vier läutete Max an der Tür.

„Mein Enkel!“ Mehr brachte Gerda nicht über die Lippen. Tränen liefen ihre Wangen herab, als sie den geliebten Enkel in ihre Arme schloss. „Wie hast du es geschafft?“
„Ich bin in einer Rettungsinsel geklettert.“, sanft drückte er Gerda weg, „Hier duftet es herrlich! So wie früher.“
„Ich habe extra gebacken! Komm ruhig in die Stube und dann erzählst du mir alles.“
Gerda eilte in die Küche, um das Tablett mit den Plätzchen zu holen. Aber als sie die Stube betrat, stand Max an ihrem Sekretär.
„Was machst du?“
„Alte Lady, jetzt ist Mordzeit und nicht Teezeit. Schmuck raus und du bleibst am Leben.“
Er zückte ein Messer. Entsetzt ließ Gerda das Tablett fallen. In dem Moment sprang ein Polizist hinter dem Tannenbaum hervor.
„Waffe fallen lassen!“
Fassungslos starrte Gerda die Szene. „Aber Thomas, seit wann bist du bei der Polizei?“
Derweil hatte Thomas Max die Acht angelegt. „Seit vier Jahren. Als du mir erzähltest, dass Max lebend gefunden wurde, wusste ich, dass es ein Trickbetrug war. Der schreckliche Unfall hat im letzten Jahr lange genug die Medien beherrscht. Du kommst jetzt bei uns wohnen.“
Doch Gerda hörte nicht. „Thomas, Max ist zurück. Ein Wunder!“

 © 2020 Lucy Engel (Luxembourg)

 


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Kommentare: 3
  • #1

    Konstanze (Mittwoch, 02 Dezember 2020 09:18)

    Vielen herzlichen Dank für die wunderbare Teestunde!!!

  • #2

    Karin (Mittwoch, 02 Dezember 2020 11:09)

    Liebe Anathea,
    wunderbare tolle Geschichten, klasse Bilder.
    Deine Web-Page ist hervorragend.

  • #3

    Sabine (Mittwoch, 02 Dezember 2020 22:18)

    Wie schön! Vielen herzlichen Dank, dass Du uns teilhaben läßt, liebe Anathea.