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Türchen 08 "Strickclub"


Die Dame(n) vom Strickclub

Meine Augen füllten sich mit Tränen, als meine Nachbarin mir das Paket reichte, das sie für mich entgegengenommen hatte.
„Um Himmels Willen“, sagte sie bestürzt, „ist alles in Ordnung?“
„Ja, ja“, versicherte ich schnell, „es ist nur...“ Die Tränen liefen über und ich konnte nicht weitersprechen.
„Los“, beherzt zog sie mich in ihre Wohnung und bugsierte mich in die gemütliche Küche, „ich koche uns einen Tee und Sie erzählen mir, wo das Herzchen drückt.“

Kurz darauf standen eine dampfende Tasse Tee und ein Schälchen Kekse vor mir. Meine Nachbarin musterte mich durch ihre gold-umrandete Brille.
„Ich bin Heidrun.“ Sie streckte mir die Hand entgegen. Ihre faltige Haut fühlte sich überraschend weich an.
„Julia.“
„Du bist neu hergezogen, richtig?“
Ich nickte. „Vor drei Monaten.“
„Wo hast du vorher gewohnt?“
„In Irland. Da habe ich zwei Semester studiert.“
„Ah“, Heidruns Augen leuchteten auf. „Daher kommt auch das Paket. Lass mich raten: Du hast einen Mann zurückgelassen und er hat es dir geschickt?“
„Nein.“ Ich musste lachen. „Es ist von den Damen aus meinem irischen Strickclub.“
Heidrun sah mich mit großen Augen an. „Strickclub?“
„Ich weiß, nichts was man von jemandem in meinem Alter erwartet.“ Ich seufzte. „Aber diese Damen haben mir sehr dabei geholfen, mein anfängliches Heimweh zu überstehen. Und jetzt habe ich Sehnsucht nach ihnen, Irland und dem Stricken. Alleine macht es einfach keinen Spaß.“
„Wie recht du hast.“ Heidrun tätschelte lächelnd meine Hand. „Wir Damen treffen uns immer dienstagsabends und du bist uns herzlich Willkommen, Julia.“

 

 © 2020 Katja Kobusch (Hamburg)

 


Bestrickende Lösung

Mitfühlend legte Lena den Arm um Anna. „Kopf hoch. Uns wird schon etwas einfallen, um Rinaldo zu retten.“
„Genau, wir werden ihn den gierigen Händen des Metzgers entreissen“, rief Stine und ignorierte die vorwurfsvollen Blicke der anderen Freundinnen, die eine neue Tränenflut von Anna befürchteten. Diese konzentrierte sich aber auf den Hoffnungsschimmer.
„Meint ihr wirklich, wir bekommen die fünfhundert Euro rechtzeitig zusammen? Wie sollen wir das denn schaffen?“
Rieke, die es sich auf den Strohballen bequem gemacht hatte, hob den Finger. „Wir gründen einen Strickclub und verkaufen die Sachen auf dem Adventsbasar.“
„Klar“, prustete Stine. „Wenn wir die fünf Schals für jeweils hundert Euro loswerden, ist alles geritzt. Wir haben gar nicht genug Übung, um etwas Vernünftiges zu fabrizieren.“
„Ich schon. Außerdem frage ich Oma - ihre Damenrunde strickt oft für einen guten Zweck.“ Rieke schaute zuversichtlich in die Runde. „Noch jemand mit Ideen?“
„Für einen Basar sind meine backwütigen Schwestern immer zu haben“, meldete sich Lena. „Plätzchen und Waffelstand?“
„Okay.“ Anna grübelte. „Ich frage nach, ob ich ein paar Runden auf Rinaldo anbieten kann, denn Frau Erhard ist ja dafür, dass ich ihr altes Schulpferd übernehme.“
Stine und Carla schauten sich an. „Wir organisieren das Ganze als Tombola wie letztes Jahr in der Schule. Plakate zur Rettungsaktion, viele Lose, wobei auch die Nieten Geld einbringen. Dann nehmen wir Gutscheine für Waffeln und kleine Plätzchen-Tüten als Trostpreise und verteilen die Gaben, die wir zusammenbekommen, auf die Hauptlose. Los geht’s!“
Sie klatschten sich ab und eilten aus dem Stall.

 

© 2020 Anathea Westen (Lipperland)

 


Strickklub der besonderen Art


Sie saßen alle im Kreis, ein jeder einen Wollknäuel auf dem Schoss. Nur das Klappern der Stricknadeln war zu hören. Niemand sprach ein Wort. So gut wie möglich versuchte ich meine Tränen niederzukämpfen.
„Geht es dir nicht gut?“, fragte mich mein Nachbar.
Ich sprang auf. „Außer, dass ich tot bin, geht es mir wunderbar! Ich hatte noch so viel vor mir! Dreißig ist kein Alter, um zu gehen.“

Kaum waren die Worte über meine Lippen, stand mein Todesengel neben mir. „Komm mit! Du scheinst immer noch nicht zu begreifen, was mit dir geschieht.“
Mit einem Fingerschnippen standen wir vor einem großen Weihnachtsbaum. In den Kugeln sah ich zwei weinende Gesichter.
„Mutter, Vater! Aber was ist mit den Kollegen, den...“
„Freunde? Du hast keine. Arbeit ist dir derart wichtig, dass du nicht mehr lebst. Schau! Nur deine Eltern trauern um ihr Kind, für deine Bürokollegen bist du nur die Gefügsame, die alles erledigt, dein Arbeitgeber interessiert sich einzig für den Gewinn, den du ihm durch deinen Einsatz bringst.“
„Nein, nein!“
Heftig schüttelte ich den Kopf. Viel Eifer hatte ich an den Tag gelegt! Ich dachte geliebt zu sein. Aber ich war nicht viel mehr als ein nötiges Arbeitsutensil. Diesmal weinte ich hemmungslos.  
„Der Strickklub ist, um Fürsorge zu erfahren, nicht?“
Der Engel nickte, strich mir tröstend über die Wange. „Du kannst zurück. Den Infarkt hast du überlebt.“
„Wann?“
„Wenn du zu leben weißt.“
In diesem Moment wusste ich, was mir fehlte. Liebe, Zeit für mich sowie Selbstverwirklichung.

 

© 2020 Lucy Engel (Luxembourg)

 


Ein Schelm, der Böses dabei denkt

Martha ist fassungslos. Schon wieder verlässt eine Frau sein Haus durch die Hintertür. Seit drei Jahren sind sie ein Paar und obwohl jeder für sich wohnt, ist es abgemachte Sache, sich die Treue zu halten. Auf ihre alten Tage sind Werte wichtig. Frauenbesuche dieser Art gehören nach Martha nicht dazu. Und, dass es sich gleich um mehrere handelt, ist der Gipfel der Unverschämtheit. Aus diesem Grund hat sie sich in den letzten Wochen rar gemacht, was Karl nicht sonderlich zu stören scheint. Im Gegenteil, er ist so beschäftigt, dass er sie gar nicht vermisst. Mistkerl. Die Männer sind doch alle gleich.

Was treiben die nur da drüben? Er führt die Frauen nicht aus, das steht fest. Sie dagegen wäre gerne mit ihm in das schnuckelige Restaurant essen gegangen. Sie versteckt sich hinter der Gardine und traut ihren Augen nicht. Heute sind es drei, die kichernd auf Einlass warten. Wütend zieht sie die Übergardine zu und setzt sich schmollend vor den Fernseher.
Sie kann sich nicht auf die Sendung konzentrieren und schaltet frustriert ab. So peinlich es ist, sie würde zu Karl hinüberzugehen und ihn in flagranti zur Rede zu stellen. Mit pochendem Herzen und puterrotem Kopf drückt sie auf den Klingelknopf, auf das Schlimmste gefasst.

Karl öffnet, er scheint sich zu freuen, sie zu sehen. „Martha, du? Komm rein.“
Im Wohnzimmer sitzen die Damen auf Stühlen im Kreis und schauen erstaunt auf, als sie eintritt. „Möchten Sie auch stricken lernen? Willkommen in Karls Strickklub.“

 

© 2020 Flora MC (Alsace)

 

 


Strickklub

„Tut mir leid, dass ich zu spät dran bin“, keucht Großtante Mitzi, wie sie in das Wohnzimmer kommt. Auf den Tisch sieht sie die verzierte Sachertorte mit einer blauen 14 drauf. Bis auf Tante Mitzi und ihrer Nichte Cornelia sitzen schon alle am Tisch und warten auf sie. „Ich war gerade noch im Strickklub und habe dein Geburtstagsgeschenk Luis für dich abgeholt“.
„Alles Gut, setzte dich zuerst einmal zu uns und dann beginnen wir“, sagt Cornelia.
„Strickklub, was es alles gibt.“ Jonas verdreht die Augen. Ein leichter Ellbogenschubs von seinem Vater lässt ihm verstummen.
„Ich gib dir ja recht. Aber nicht jetzt“, flüstert er Jonas zu.
„Lieber Luis, ich wünsche dir alles Gute zu deinem Geburtstag.“ Mitzi streckt Jonas das in buntes Papier eingewickelte Geschenk hin und umarmt ihm.
„Danke“, er reißt das Papier auf und strahlt sie an. „Ist das cool. Und in meiner absoluten Lieblingsfarbe.“ Er zieht sich die dunkelblaue Mütze und den Schal sofort an. „Ist das gemütlich und sieht super aus.“
Jonas blickt neidisch zu seinem Bruder über den Tisch hinweg.
„Ich glaube, ich weiß jemanden, der den Strickklub jetzt auch cool findet“, sagt Papa. Als er Jonas strafenden Blick merkt, fängt er zu lachen an.
„Wie es aussieht, werde ich die nächsten Tage bis Weihnachten noch ein paar Überstunden im Strickclub machen müssen“, meint Großtante Mitzi und stimmt ins Lachen mit ein.

 

© 2020 Sandra Novak (Wien)

 

 


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