Ohne Zimt!
Peecko stutzte, als die leisen Hilferufe an sein Ohr drangen, doch eigentlich hatte er gar keine Zeit für eine Ablenkung. Aber jemanden in dieser eiskalten Winternacht einfach im Stich lassen?
Mit einem Seufzer schaute er nach und fand einen jungen Fuchs, der in eine Falle geraten war.
„Bitte hilf mir heraus, bevor der Jäger kommt und mich tötet“, winselte er.
„Verflixt!“, schimpfte der Kobold. „Ich hab keine Zeit. Jemand hat den Zimt geklaut. Die Feen der Weihnachtsbäckerei sind außer sich und haben alle losgeschickt, um welchen zu besorgen. Ohne Zimt
in der Weihnachtszeit, oh je.“
„Weißt du, wo du ihn findest?“, fragte der Fuchs und lächelte, als Peecko den Kopf schüttelte.
„Nee, hab alle gefragt. Keiner weiß etwas.“
„Ich schon“, behauptete der Gefangene. „Hol mich hier raus und ich sage dir, wie du zum Zimstern kommst.“
Peecko willigte ein. Kaum war der Fuchs frei, rief er: „Komm, spring auf. Ich bringe dich zur weisen Eule, die hilft dir weiter.“
Bald darauf stand er vor dem Uhu. „So schickten sie mich los, weil Weihnachten ohne Zimt nicht richtig ist. Was soll ich bloß tun?“, jammerte er.
„Du hast dem Fuchs geholfen, also helfe ich dir“, erwiderte die Eule und breitete ihre Schwingen aus. „Komm, ich fliege dich zu dem fernen Stern, wo es Zimt im Überfluss gibt.“
Nach langer Reise durch Kälte und Finsternis kehrte Peecko zu den Feen zurück, überreichte ihnen einige Zimtbündel und bekam dafür jede Menge Küsse.
„Hilfe zahlt sich eben immer aus“, schmunzelte der Uhu.
© 2020 Anathea Westen (Lipperland)
Köstlicher Weihnachtsschmuck
„Mami, hast du gewusst, dass es früher keine Weihnachtskugeln gab?“ Fröhlich rann Jana zu ihrer Mutter Elly „Bei Uroma Klara wurde der Weihnachtsbaum erst am Tag vor Weihnachten am frühen Morgen
aufgerichtet.“
Elly nickte uninteressiert. Diese alten Märchen waren ihr bekannt. Im Moment war sie mehr darauf konzentriert, herauszufinden, wie diese vermaledeite Girlande zu entwirren war und vor allem, wie
sie diesen Weihnachtsbaum schmücken sollte. Ein Blick auf die kaputten Kugeln reichte. Sie käme nicht umhin, Weihnachtsschmuck zu kaufen. Jana schien es nicht zu bemerken. Munter fuhr sie
fort. „Am Ende der längsten Äste wurden Kerzen festgesetzt, die nur Heiligabend und an Weihnachten brannten. Der Baum wurde mit bunten Bändchen und mit feinem Gebäck geschmückt. Diese Zimtsterne
wurden an Weihnachten als Nachttisch abgepflückt.“
Elly unterdrückte einen Seufzer. Wie sollte sie sich bei dem Plappermäulchen konzentrieren?
„Du schaffst es nicht, mhh? Uroma hatte recht. Weißt du was, wir setzen keine Girlanden. Ich würde viel lieber mit dir Zimtsterne backen.“
„Aber Kind, der Baum muss fertig werden. Dafür muss ich...“
Janas erwartungsvolle Augen entfalteten eine eigenartige Magie. Warum Weihnachtsstress, wenn sie mit ihrem liebsten Schatz backen konnte?
„Ab in die Küche. Hol mir bitte die Backbleche heraus und rufe Uroma Klara dazu. Jetzt geht das Weihnachtsschmuckbacken los.“
Jana juchzte. Klara stimmte ein Weihnachtslied und bald sangen alle fröhlich mit.
Später schmückten Hampel Männchen, Glocken und Zimtsterne den Baum. „Danke. Ich hatte schon lange nicht mehr so viel Spaß beim Weihnachtbaum schmücken. Das wiederholen wir.“
Jana und Klara stimmten einstimmig zu.
© 2020 Lucy Engel (Luxembourg)
Der Duft der großen weiten Welt
Roswitha schaute mit gemischten Gefühlen auf die braune Masse, die an ihrer Hand und jedem ihrer Finger klebte. Der Versuch, sie abzuwischen, machte es nur schlimmer. Egal, da musste sie jetzt
durch.
Vorsichtig hob sie den Zeigefinger an die Nase und schnupperte. Mit wenig Begeisterung verzog sie den Mund. Man konnte den Duft durchaus als würzig bezeichnen. Roswitha kicherte.
„So eine Scheiße“, murmelte sie.
Sie schloss kurz die Augen und widmete sich wieder dem schmierigen Haufen, der ausgebreitet vor ihr lag und an den Rändern bereits leicht antrocknete. Jedenfalls lösten sich endlich die Reste an
ihren Fingern, was sie mit Genugtuung zur Kenntnis nahm.
Sie wurde gerade rechtzeitig fertig, bevor ihre Tochter sie dabei erwischte, und versteckte das Corpus Delicti schnell rückseitig. In ihrer ganzen Größe baute sie sich vor ihr auf.
„Mama, nach was riecht es denn hier so?“, fragte Susi und zog ihre kleine Stupsnase kraus. Sie versuchte, einen Blick hinter ihre Mutter zu werfen, aber diese verstellte ihr einmal rechts, mal
links den Weg.
„Nichts, gar nichts. Ich weiß nicht, was du meinst. Hast du denn keine Schulaufgaben zu machen?“ Widerwillig verließ Susi die Küche und Roswitha seufzte. Nach einer weiteren halben Stunde hatte
sie es endlich geschafft.
Zwei Bleche exakt ausgestochener Zimtsterne backten im Ofen und der Duft orientalischer Gewürze, der durch das ganze Haus zog, erinnerte bereits an Weihnachten. Das Gebäck, das bei der
Herstellung so klebte, war für ihren Mann, denn weder sie noch ihre Tochter mochten Zimt.
© 2020 Flora MC (Alsace)
Der verflixte Zimtstern
Martha backt für das Adventskränzchen im Seniorenheim ihre berühmten Zimtsterne. Herbert hat sie letzte Woche gefragt, ob sie welche mitbringen kann. Sie lächelt vor sich hin, wenn sie an den
galanten Rentner denkt. Wäre nur ihre Freundin Sarah nicht, die sie nicht alleine mit Herbert lassen kann.
„Hallo Martha, schön dich zu sehen.“ Sarah umarmt ihre Freundin. „Hast du wieder deine Zimtsterne dabei?“
„Ja, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie mir auch gelungen sind. Magst du einen probieren?“
„Immer doch. Du weißt, ich kann nicht widerstehen, wenn es um Süsses geht“. Sarah beißt genüsslich in den Keks. „Sind die köstlich.“
„Meine Damen. Es freut mich sie wieder zu sehen.“ Herbert kommt auf sie zu. „Unser Tisch ist frei geworden.“ Sie setzen sich und erzählen sich die Neuigkeiten seit ihrem letzten Treffen.
„Es tut mir leid. Ich muss mich für einen Moment verabschieden.“ Sarah eilt mit gehetzten Schritten davon.
„Was hat ihre Freundin denn?“ Herbert blickt Sarah besorgt nach.
„Alles gut, Herbert. Sie wird bald wieder zurückkommen. Erzählen Sie mir noch etwas mehr von sich. Möchten Sie noch ein paar Zimtsterne?“
„Da kann ich nicht nein sagen.“ Er greift beherzt zu. „Sie sind wirklich eine tolle Bäckerin.“
„Herbert ...“, setzt sie an.
„Liebe Martha, es tut mir leid, dass ich Sie unterbreche. Aber ich möchte die Chance nützen, wenn Sarah gerade nicht da ist, Sie etwas zu fragen. Ich mag Sarah sehr und ich möchte ihr eine Freude
machen. Haben Sie eine Idee für mich?“
© 2020 Sandra Novak (Wien)
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